• Die Indikatoren der Rentenansprüche, die hier in Kapitel 4 folgen, und die in Kapitel 8 enthaltene Analyse der „Versorgungslücke“ bei den Renten basieren auf den OECD-Rentenmodellen. Für die Analyse aller Länder wurden dieselben Methoden und dieselben Annahmen zu Grunde gelegt, was die Konzipierung direkt vergleichbarer Rentensysteme ermöglichte.

  • Die Bruttoersatzquote gibt die Höhe der Rentenbezüge im Verhältnis zur Höhe des Verdiensts während der Erwerbstätigkeit wieder. Für Durchschnittsverdiener beträgt die Bruttoersatzquote im Durchschnitt der 34 OECD-Länder 54%, wobei zwischen den Ländern allerdings große Unterschiede bestehen. Im unteren Bereich des Spektrums liegen Mexiko und das Vereinigte Königreich, wo Personen, die heute zu arbeiten beginnen, Bruttoersatzquoten von weniger als einem Drittel in Aussicht gestellt werden. Die Niederlande am oberen Ende des Spektrums bieten demgegenüber Ersatzquoten von über 90%. Weitere Länder mit hohen erwarteten Ersatzquoten sind Dänemark (79%) und Österreich (77%).

  • Private Rentenversicherungen spielen eine große, zunehmend wichtige Rolle in der Altersvorsorge. Dies machen Berechnungen der Bruttoersatzquoten deutlich, die nach Beiträgen des öffentlichen und des privaten Sektors aufgeschlüsselt sind. Die Bruttoersatzquote beläuft sich für einen Durchschnittsverdiener bei alleiniger Berücksichtigung der staatlichen Rentenversicherung im OECD-Durchschnitt auf 41%, erhöht sich aber auf 54%, wenn obligatorische private Altersvorsorgesysteme einbezogen werden. Bei Hinzurechnung der freiwilligen privaten Altersvorsorge gemäß den üblichen Regeln beträgt die Bruttoersatzquote für einen Durchschnittsverdiener 68%.

  • Einkommensteuersysteme spielen eine wichtige Rolle bei der Einkommenssicherung im Alter. Rentner sind häufig von Sozialabgaben befreit. Da die Einkommensteuer progressiv ist und die Rentenbezüge im Allgemeinen geringer sind als das Arbeitseinkommen vor Renteneintritt, liegt der durchschnittliche Steuersatz auf Renteneinkommen in der Regel unter dem Satz, der auf Arbeitseinkommen zu entrichten ist. Zudem sehen die meisten Einkommensteuersysteme eine günstigere Behandlung der Renteneinkommen bzw. der Rentner vor, denen zusätzliche Steuerfreibeträge oder Steuergutschriften gewährt werden.

  • Für Durchschnittsverdiener liegt die Nettoersatzquote im OECD-Durchschnitt bei 66% und damit 11 Prozentpunkte über der Bruttoersatzquote. Zurückzuführen ist dies darauf, dass auf die während der Erwerbstätigkeit bezogenen Arbeitsentgelte höhere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind als auf die Rentenbezüge. Auch die Nettoersatzquoten variieren stark, wobei das Spektrum für Durchschnittsverdiener von weniger als einem Drittel in Mexiko bis zu über 100% in den Niederlanden reicht.

  • Die Nettoersatzquote beläuft sich für einen Durchschnittsverdiener bei alleiniger Berücksichtigung der staatlichen Rentenversicherung im OECD-Durchschnitt auf 49%, erhöht sich aber auf 64%, wenn obligatorische private Altersvorsorgesysteme einbezogen werden. Bei Hinzurechnung der freiwilligen privaten Altersvorsorge gemäß den üblichen Regeln beträgt die Nettoersatzquote für einen Durchschnittsverdiener 79%.

  • Zwar haben die privaten Pensionsfonds in den OECD-Ländern im Durchschnitt mittlerweile ihre krisenbedingten Verluste vollständig ausgeglichen, doch die Märkte sind immer noch volatil, und ein Negativwachstum stellt nach wie vor keine Seltenheit dar. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass private Altersvorsorgeleistungen nur einen Teil des gesamten Renteneinkommens darstellen und ein wesentlicher Teil des Renteneinkommens in der Regel nicht von Anlagerisiken betroffen ist. In einigen Ländern werden Niedrigeinkommensbezieher durch bedürftigkeitsabhängige Renten weitgehend vor Anlagerisiken geschützt, und auch das Steuersystem kann als „automatischer Stabilisator“ der Renteneinkommen wirken.

  • Das Rentenvermögen gibt den Gesamtwert des über die Lebenszeit bezogenen Renteneinkommens an. Das Rentenvermögen männlicher Durchschnittsverdiener beläuft sich im OECD-Durchschnitt auf das 9,3-Fache des Jahresverdiensts. Der Durchschnittswert für Frauen ist wegen ihrer längeren Lebenserwartung höher und entspricht dem 10,6-Fachen des individuellen Jahresverdiensts.

  • Das Nettorentenvermögen gibt ebenso wie sein Pendant auf Bruttobasis Auskunft über den Gegenwartswert der über die Lebenszeit bezogenen Rentenzahlungen, berücksichtigt aber auch die auf das Renteneinkommen zu entrichtenden Steuern und Sozialabgaben. Beide Messgrößen des Rentenvermögens werden als Vielfaches des individuellen Bruttojahresverdiensts ausgedrückt.

  • Die Veränderung der Bruttorente gibt Auskunft über das Niveau der Rentenansprüche bei einer Verlängerung der Erwerbstätigkeit um ein Jahr. In der Hälfte der OECD-Länder ist der Anreiz, länger erwerbstätig zu bleiben, für Niedrig- oder Durchschnittsverdiener geringer als für Hocheinkommensbezieher. In lediglich acht OECD-Ländern ist eine längere Erwerbstätigkeit für Niedrig- oder Durchschnittsverdiener vorteilhafter.

  • Der Progressivitätsindex dient dazu, den Zusammenhang zwischen den Rentenbezügen im Ruhestand und dem Verdienst während der Erwerbstätigkeit in einer einzigen Zahl zusammenzufassen. Die Ergebnisse reichen von 100 in reinen Grundrentensystemen (wie Irland und Neuseeland) über 0 in Ungarn bis hin zu einem negativen Wert (-13) in Schweden, der auf ein insgesamt regressiv ausgestaltetes Renteneinkommenssystem in Schweden hinweist. Im Durchschnitt der OECD-Länder liegt der Index bei 39. Dabei sind auffallende regionale Unterschiede festzustellen: In den englischsprachigen Ländern liegt der Indexdurchschnitt bei 82, da die staatlichen Renten dort stark progressiv sind. In den südeuropäischen Ländern hingegen beträgt der Indexdurchschnitt nur 23, was auf einen sehr starken Zusammenhang zwischen Verdienst und Rentenleistungen schließen lässt.

  • In einigen Ländern, wie in Italien, den Niederlanden, der Slowakischen Republik und Ungarn, ist ein sehr starker Zusammenhang zwischen der Höhe der Rentenansprüche und dem Verdienst vor Renteneintritt festzustellen. Dagegen besteht in Irland und Neuseeland auf Grund des Pauschalrentensystems kein Zusammenhang zwischen Renten- und Verdienstniveau, allerdings spielt in Irland die Beitragsdauer eine Rolle.

  • Die bislang vorgestellten Indikatoren befassten sich mit den Ersatzquoten, dem relativen Rentenniveau und dem Rentenvermögen von Personen, die sich an verschiedenen Punkten des Verdienstspektrums befinden. Ausgehend von einem gewichteten Durchschnitt dieser Indikatoren über das Verdienstspektrum geben die in diesem Abschnitt behandelten Messgrößen Aufschluss über das durchschnittliche Rentenniveau bei Renteneintritt sowie das durchschnittliche Rentenvermögen, d.h. den Gesamtwert der über die Lebenszeit bezogenen Rentenzahlungen.

  • Das Renteneinkommen wird nach der Taxonomie des vorstehend behandelten Indikators „Architektur der nationalen Altersvorsorgesysteme“ in verschiedene Komponenten unterteilt. Diese Typologie gliedert Rentensysteme in zwei obligatorische Kategorien. Die erste ist eine Umverteilungskomponente, die den Rentnern einen absoluten Mindestlebensstandard sichern soll. Die zweite ist eine Ersparniskomponente, mit der ein bestimmtes Renteneinkommen im Verhältnis zum Verdienst während der Erwerbstätigkeit angestrebt wird. Dieser Indikator, aus dem die Aufteilung der nationalen Rentensysteme auf diese Kategorien und auf öffentliche bzw. private Systeme ersichtlich ist, macht erneut deutlich, dass zwischen den einzelnen Ländern erhebliche Unterschiede in der Rentenpolitik bestehen.