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  • Die deutsche Wirtschaft erholt sich von einer schweren Rezession, zu der es in der Folge des Zusammenbruchs des Welthandels gekommen war. Da die vor der Krise beobachteten Produktionsniveaus wohl erst auf mittlere Sicht wieder erreicht sein werden, dürften die Arbeitslosigkeit und das Haushaltsdefizit weiter steigen. Die Krise hat deutlich gemacht, wie stark die deutsche Wirtschaft von internationalen Entwicklungen abhängig ist, und ließ einige strukturelle Schwachstellen zu Tage treten. In diesem Umfeld bestehen die wichtigsten Herausforderungen darin, eine nachhaltige Erholung zu sichern und Deutschlands Wachstumspotenzial zu steigern.

  • Nach dem steilsten Abschwung der Nachkriegsgeschichte erhielt das Wachstum im Frühjahr 2009 wieder ein positives Vorzeichen. Die gegenwärtige Erholung wird von fiskalischen Impulsen, expansiven monetären Bedingungen, einem Aufschwung im Welthandel, einer Verbesserung der Finanzierungsbedingungen sowie dem Lageraufbau im Unternehmenssektor getragen. Doch obwohl sich die Wirtschaft erholt, wird das vor der Krise beobachtete Produktionsniveau den Projektionen zufolge erst 2013 wieder erreicht sein. Auf mittlere Sicht werden somit erhebliche Kapazitätsüberhänge bestehen bleiben, wenngleich die Krise wahrscheinlich auch zu einer vorübergehenden Verringerung der Wachstumsrate des Produktionspotenzials geführt hat. In der kommenden Zeit wird der Hauptantrieb wohl weiter von den Exporten ausgehen, weil die Ausgaben für Investitionen in neue Kapazitäten voraussichtlich erst sehr langsam wieder zunehmen werden. Das verringerte Produktionsniveau wird sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken und so die Sparquote auf hohem Niveau halten und das Wachstum des privaten Verbrauchs dämpfen. Die öffentliche Finanzlage wird sich weiter verschlechtern, nicht zuletzt weil die zusätzlichen dauerhaften Steuersenkungen, die Anfang dieses Jahres zur Stabilisierung der Binnennachfrage vorgenommen wurden, das Defizit ebenfalls erhöhen.

  • Nach einem starken Rückgang während der Rezession hat das reale BIP-Wachstum wieder angezogen, die Erholung wird aber voraussichtlich relativ langsam vonstatten gehen. Die Wirtschaft wurde von der globalen Krise vor allem durch den Zusammenbruch des Welthandels getroffen, der treibenden Kraft hinter dem Boom, der der Krise vorangegangen war. In der kommenden Zeit gilt es, die Schäden zu beheben, die die Krise auf den Arbeitsmärkten und in den öffentlichen Finanzen hinterlassen hat. Das Wachstum der Zeit vor der Krise ging hauptsächlich von den Exporten aus und war mit der Entstehung eines großen Leistungsbilanzüberschusses verbunden. Zu den maßgeblichen Faktoren für diesen Überschuss gehörten ein wachsender positiver Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors und des Staats bei einer fortgesetzt hohen und weiter steigenden Ersparnis der privaten Haushalte. Ein großer Teil der Kapitalabflüsse resultierte aus Auslandsinvestitionen des Bankensektors. Im Hinblick auf die strukturellen Herausforderungen sollte das Schwergewicht in der kommenden Zeit auf der Erhöhung der Stabilität des Bankensektors und der Beseitigung inländischer Hindernisse für ein stärkeres Wachstum liegen.

  • Die Zahl der Arbeitslosen war vor dem Ausbruch der Krise nicht zuletzt dank des Effekts vergangener Arbeitsmarktreformen – sowohl im Vergleich zu früheren Erfahrungen als auch zu anderen OECD-Ländern – signifikant gesunken und ist in dieser Rezession erstaunlich stabil geblieben. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf die flexiblere Arbeitszeitgestaltung, doch spielten die staatlich geförderte Kurzarbeit ebenso wie die freiwillige Arbeitskräftehortung infolge des zuvor bestehenden Fachkräftemangels ebenfalls eine Rolle. Auf Grund der strengen Beschäftigungsschutzbestimmungen für fest angestellte Mitarbeiter gingen diese Anpassungen bisher zu Lasten der weniger geschützten Arbeitskräfte. Mit Blick auf die Zukunft wird sich die Arbeitsmarktpolitik auf den zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit einstellen müssen, der eintreten wird, sobald die Unternehmen versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Die entscheidende Herausforderung besteht darin, das Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern und die strengen gesetzlichen Bestimmungen zum Beschäftigungsschutz für Normalarbeitsverhältnisse zu lockern, um den Strukturwandel in der Wirtschaft zu erleichtern.

  • Die in den vergangenen Jahren erzielte Haushaltskonsolidierung hat während der Krise das volle Wirksamwerden der automatischen Stabilisatoren ermöglicht. Unter dem Einfluss einer weiteren Lockerung der Fiskalpolitik Ende 2008 und Anfang 2009 wird sich das Haushaltsdefizit 2010 deutlich ausweiten. Eine jüngst verabschiedete Haushaltsregel, die das strukturelle Haushaltsdefizit des Bundes auf maximal 0,35% des BIP begrenzt und einen ausgeglichenen strukturellen Haushalt für die Länder vorschreibt, wird dazu beitragen, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen. Einige Elemente der neuen Regel müssen jedoch u.U. genauer abgestimmt werden, um sie wirksamer zu machen. Damit die für sie geltende Übergangsregelung eingehalten werden kann, sind zwischen 2011 und 2016 Konsolidierungsanstrengungen erforderlich, die über das bloße Auslaufenlassen der Konjunkturpakete hinausgehen müssen. Priorität sollten die Reduzierung der öffentlichen Ausgaben, insbesondere durch Effizienzsteigerungen im öffentlichen Sektor sowie eine Verringerung der Finanzhilfen und des Staatskonsums, und der Abbau verzerrend wirkender Steuervergünstigungen haben. Zur Verbesserung der Steuerstruktur sollte die Bundesregierung in Erwägung ziehen, den Anteil der Steuern auf Vermögen und Verbrauch am Gesamtsteueraufkommen zu erhöhen.

  • Das deutsche Bankensystem geriet während der Finanzkrise unter Druck, was nicht zuletzt durch sein erhebliches Engagement in toxischen Aktiva aus den Vereinigten Staaten bedingt war. Kurzfristig wurde die Stabilität des Systems hergestellt, zum großen Teil dank umfangreicher staatlicher Stützungsmaßnahmen. Eine angemessene Kapitalausstattung des Bankensystems zu sichern, ist indessen nach wie vor eine große Herausforderung für die Zukunft und erfordert u.U. weiteres aktives Engagement des Staats. Die den Problemen des Bankensektors zu Grunde liegenden Ursachen sind in folgenden Faktoren zu sehen: a) den Aktivitäten der Landesbanken, die von staatlichen Haftungsregelungen profitierten, ohne ein geeignetes Geschäftsmodell zu besitzen, b) der geringen Kapitalausstattung und der hohen Fragmentierung des gesamten Bankensystems, die möglicherweise mit der besonders starren Drei-Säulen-Struktur zusammenhängen, sowie c) Defiziten bei der Bankenregulierung und -aufsicht. Die Herausforderung besteht darin, eine Lösung für diese drei Ursachen zu suchen, um die langfristige Stabilität des Bankensystems zu erhöhen.

  • Die Potenzialrate des Wirtschaftswachstums liegt schon seit langem auf niedrigem Niveau, und von der Krise gingen weitere negative Effekte aus. Die mageren Wachstumsergebnisse spiegeln in erster Linie das schwache Wachstum in mehreren Dienstleistungssektoren wider; dagegen expandierten die meisten Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes in den Jahren vor der jüngsten Krise dank der dynamischen Auslandsnachfrage in raschem Tempo. Die Herausforderung besteht darin, die in der Vergangenheit im Exportsektor erzielten Erfolge durch innovationsfreundlichere und dem Strukturwandel förderlichere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu konsolidieren und auf alle Wirtschaftsbereiche auszuweiten. Insbesondere bedarf es folgender Maßnahmen: Lockerung der Produktmarktregulierung, um zu verhindern, dass nicht wettbewerbsfähige Industriezweige abgeschirmt werden, Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Innovationstätigkeit, weitere Reform des Bildungssystems, damit für ein ausreichendes Angebot an hochqualifizierten Arbeitskräften gesorgt werden kann, eine Zuwanderungspolitik, die den Zustrom hochqualifizierter Kräfte stärker begünstigt.